
Die Zusammenkunft von Menschen am vergangenen Samstag 8. Mai in Aarau wird wohl in die Geschichte eingehen. Trotz Kundgebungsverbot fanden viele freiheitsliebende und besorgte Menschen den Weg nach Aarau, wo sie mit massiver Polizeipräsenz und Gewalt konfrontiert wurden. Auch wenn die Leitmedien wie die Aargauer Zeitung, Blick und 20 Minuten von einem „verhältnismässigen“ Einsatz der Polizeikommandos sprechen und sich die Kapo Aargau gleich selber Lob zuspricht dafür, „auf eine gewaltsame Auflösung der Gruppen verzichtet“ und so zu einem friedlichen Anlass beigetragen zu haben. Verschiedenes Bildmaterial von Beteiligten und Journalisten vermittelt ein differenzierteres Bild, das wir im Sinne einer dringend nötigen, kritischen Aufarbeitung wiedergeben möchten.
Die Kapo Aargau bat in einer Medienmitteilung und auf ihrer Facebook-Seite schon am Freitag, die Stadt am Samstag möglichst zu meiden, da sie mit einer grossen Menge von Demonstrierenden rechnen musste. Trotzdem waren die Restaurants und Bars, wie an einem sonnigen Samstagnachmittag zu erwarten, gut besucht.
Ab ca. 9.30 wurden sämtliche grösseren Zufahrtsstrassen nach Aarau durch die Polizei kontrolliert, später gesperrt. Wie viele Menschen durch diese Massnahmen nicht an der Demo teilnehmen konnten, wird nicht kommuniziert - aufgrund der Aufrufe im Netz muss aber mindestens von hunderten ausgegangen werden. Mag die Polizei hier im Recht sein, ist es kaum legal, die Kofferräume von – vor allem ausserkantonalen – Autos zu durchsuchen und Kampagnenmaterial für die Abstimmung zum Covid-19-Gesetz zu beschlagnahmen. Dies ist in mehreren Fällen geschehen, die Polizei muss mit Klagen rechnen.
Die Art und Weise, wie in der Innenstadt Menschen, die auf Bänken oder im Grünen sassen und in Gruppen gemütlich plauderten, angegangen und nach ihren Personalien und dem Grund ihres Hierseins gefragt wurden, kann kaum als verhältnismässig bezeichnet werden. Es gibt in der Schweiz keine Ausweispflicht, aber viele Polizisten scheinen dies nicht zu wissen oder einfach zu ignorieren. So wurden Menschen bedrängt, verhört und in der Folge weggewiesen oder verzeigt, ohne dass ihnen die rechtliche Grundlage dafür mitgeteilt wurde.
Besonders hart traf es freie Journalisten - ganz im Unterschied zu ihren Berufskollegen der staatlich geförderten Leitmedien. Besonders eklatant ist das Beispiel des Journalisten C. Rüegg, der nach seiner Wegweisung später verhaftet und krankenhausreif geprügelt wurde. Es stimmt, dass sich viele Menschen für ihn gewehrt haben mit Mitteln der Gewalt - das ist ebenso problematisch wie das Verhalten der über 20 Beamten, die ihm trotz seiner Herzprobleme medizinische Hilfe versagten. Corona Transition zählt noch weitere Beispiele auf für die offenkundige Behördenstrategie, Journalisten aus der massnahmenkritischen Bewegung mundtot zu machen.
Die Geschehnisse am Parkplatz Obere Schanze sind bestens dokumentiert: Zwei Menschen, die sich absolut friedlich verhielten, den Polizisten aber offenbar zu nahe gekommen sind, wurden tätlich angegriffen, ein Mann wurde von mehreren Beamten über den Boden geschleift. Die Trychler wurden daran gehindert, zu ihren Autos zu gehen, da der Platz von Schwerstbewaffneten mit Drohgebärden gegen ein paar hundert Menschen, die nur ihren Unmut äusserten, verteidigt wurde.
Trotz allen Vorkehrungen und Einschüchterungen der Polizei liessen sich einige Tausend Menschen nicht davon abhalten, durch die Innenstadt ins Telligebiet und von da wieder zurück und schliesslich zum Schachen zu ziehen. Die Aargauer Zeitung berichtet von wenigen unangenehmen Begegnungen einzelner junger Menschen, die mit Transparenten ihre Ablehnung gegenüber der Demo äusserten. Von den Stinkefingern, die viele dieser Menschen den Demonstrierenden zeigten, spricht die Zeitung nicht, obwohl sie das ja gesehen haben muss. Die Strategie der Polizei war klar: Die Masse sollte in Bewegung gehalten und durch die gezielte Umleitung in enge Gassen verzettelt werden. Dieses Vorgehen hätte einige Male zu Panik unter den Demonstrierenden führen können - auch hierzu existiert Bildmaterial, welches dies deutlich zeigt. Zurecht sagt die Polizei, dass der Demozug friedlich verlief. Zurecht spricht die Aargauer Zeitung von Tätlichkeiten und verbalen Angriffen gegen die Polizei, nur verschweigt sie wie üblich die Gewalt, die von der Polizei ausging. Es gab mehrere Einsätze mit Schlagstöcken und Tränengas und physische Gewalt gegen Teilnehmende. Gewalt an Versammlungen ist auf jeden Fall zu vermeiden, egal von welcher Seite sie kommt. Sicher haben sich einzelne Exponenten der massnahmenkritischen Bewegung ungeschickt verhalten, weil sie sich provozieren liessen. Nur: Wenn der Einsatzplan der Kapo Aargau davon ausgeht, dass sich durch den Aufmarsch von einigen hundert gepanzerten und schwerbewaffneten Polizisten eine friedliche Zusammenkunft von Menschen gestalten lässt, kann die Rechnung nicht aufgehen. Allein die Präsenz dieser eisern schweigenden und angsteinflössenden Beamten könnte zu gewaltsameren Szenen führen, als sie in Aarau passiert sind. Es handelt sich um völlig unverhältnismässige Drohgebärden gegenüber einer Menge, die an allen Demos der Vergangenheit bewiesen hat, dass von ihr keine Gewalt ausgeht, wenn man sie nicht bedroht.
So haben die Polizeibehörden auch in Aarau ihre Glaubwürdigkeit und ihren Respekt weiter verloren. Natürlich ging das Dispositiv auf, eine Grossdemo von über 5000 Menschen wurde verhindert. Die Frage ist: Zu welchem Preis? War es das wirklich wert, mit einigen Kollateralschäden und einem grossen finanziellen und personellen Aufwand Menschen in Schach zu halten, die ihr verfassungsmässiges Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen und für eine Schweiz, in der die Grundrechte gewährleistet sind, auf die Strasse gehen? Eine bewilligte Kundgebung hätte nur Vorteile gehabt: Das Leben in der Innenstadt wäre nicht beeinträchtigt gewesen, es hätten wenige Beamte als Partner der Organisatoren gereicht, um einen friedlichen Anlass zur politischen Meinungsbildung durchführen zu lassen. Es ist zu bedauern, dass die Politiker Demonstrierende und Polizeibeamte in diese prekäre Situation gebracht haben. Eine verpasste Chance mehr für einen gesunden Dialog zwischen den beiden Fronten. Wie wird das wohl weitergehen?
Nachtrag: Hier das Schreiben eines Teilnehmenden an Regierungsrat Dieter Egli, dem Verantwortlichen für die Handhabung der Situation am 8.5., welches deutlich darauf hinweist, dass die problematische Situation in Aarau die direkte Folge der Verbote der Anti-Massnahmen-Kundgebungen sind - und dass es so nicht weitergehen darf.
Impressionen:
Dramatisch aufbereitete Video-Dokumentation der Geschehnisse am 8.5.:
Bild-Eindrücke:





Text: Markus Häni
Bilder: Margrith Widmer, Wetzikon